Das „Team neben dem Team“ wird immer umfangreicher. In fast allen Sportarten ist der so genannte „Staff“ ein wichtiger Bestandteil der ganzen Mannschaft. Auch bei der U20 Weltmeisterschaft in Montréal und Toronto sind die Spieler natürlich nicht auf sich allein gestellt. Inklusive des Trainerteams Pat Cortina und Helmut de Raaf kümmern sich elf Personen um das Wohl der Nationalspieler. Einer davon ist Dr. Michael Ullmann aus Mannheim, seines Zeichens Mentalcoach. Gerade im Profisport eine nicht mehr wegzudenkende Position. Sowohl in der Nationalmannschaft im Feldhockey, immerhin Deutschlands erfolgreichste Ballsportart, als auch seit vielen Jahren bei der Deutschen Fußballnationalmannschaft, ist ein Mentalcoach fester Bestandteil des Teams. „Der Kopf als Erfolgsfaktor“, beschreibt es Dr. Ullmann auch.

Was genau das bedeutet und wie Dr. Michael Ullmann seine Aufgaben sieht erklärt er im folgenden Interview.

Michael, bevor wir ins Detail gehen: Wie bist du zum Eishockey gekommen?

Das hat ziemlich genau vor 38 Jahren angefangen. Als Kind saß ich live vor dem TV, als Deutschland den bisher größten Erfolg mit dem Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen gefeiert hat. Seit dem lässt mich der Sport nicht mehr los. Darauf folgten unzählige Stadionbesuche.

Kommen wir zur deiner Arbeit. Was genau machst du mit der U20 bei dieser WM?

Die Basis ist erstmal eine fundierte Diagnostik. Jeden Morgen messen wir zunächst die Fitness- und Erholungswerte auf der mentalen Ebene. Diese Ergebnisse tragen wir zusammen, analysieren sie und leiten entsprechende Maßnahmen ab, um die Spieler zu unterstützen oder, je nach dem, auch Gegenmaßnahmen einzuleiten.

Wie kann man sich das als Laie vorstellen?
Ich führe mit den Spielern Einzelgespräche, in denen wir die jeweilige Thematik aufarbeiten und individuelle Lösungswege ausfindig machen. Das kann dann schon mal mehrere Runden dauern, bis wir so ein Thema geknackt haben. Der Erfolg ist aber dann auch unmittelbar ablesbar.

Was sind das für Themen? Nenne doch mal ein Beispiel.

Man müsste da weiter ausholen. Ich mache es kurz. Ein Eishockeyspieler ist von seiner physischen Verfassung her grundsätzlich top trainiert. Meine Arbeit besteht nun darin, dass das vorhandene Potenzial in vollem Umfang ausgeschöpft und abgerufen werden kann. Kurz gesagt: Es geht darum, hundert Prozent der Trainingsleistung auch im Spiel unter Stress und Druck abrufen zu können. Damit geht es um Themen wie den Umgang mit Druck, den Umgang mit Emotionen wie z.B. Versagensängste, um den Umgang mit Stresserleben, aber auch darum, vor und nach dem Spiel gut einschlafen und durchschlafen zu können. Wir kennen das aus dem eigenen Lebensbereich: Für die Abschlussprüfung können wir alles, aber wenn es dann so weit ist, dann ist die Nervosität da und die Knie zittern.

Was passiert darüber hinaus?

Es gibt ein Training mit mentalen Basistechniken, das wir mit der gesamten Mannschaft als Gruppe durchführen. Das reicht von Atemtechniken über Fokussierungstechniken bis hin zu der Fähigkeit, vor dem inneren Auge einen mentalen Film ablaufen zu lassen. Kurzum: Wir wollen erreichen, dass die Spieler mit ablenkenden Faktoren aus der Umwelt gut umgehen können.

Wie sieht die Zusammenarbeit mit dem Trainerteam aus? Kennen die Trainer alle Ergebnisse oder ist Stillschweigen vereinbart?

Natürlich wollen die Coaches auch konkrete Hinweise zur Einsatzfähigkeit der Spieler haben. Es besteht zwischen mir und den Spielern allerdings ein enges Vertrauensverhältnis, das nicht enttäuscht werden darf. Man kann es als gelockerte Schweigepflicht bezeichnen. Es ist also immer eine Gradwanderung zwischen Vertrauen einerseits und sportlicher Empfehlung andererseits. Man benötigt da Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Dann gelingt das auch gut.

Abschließend: Wie geht es für dich nach der WM weiter?

Ich widme mich wieder meinen anderen Klienten. Die kommen aus fast allen Berufsgruppen, wie z.B. Vertriebsprofis, Geschäftsführer und Manager in der Industrie. Dem Eishockey bin ich aber nicht nur als Fan, sondern auch beruflich ohnehin schon länger verbunden. Mentalcoaching ist in den seltensten Fällen ein kurzfristiges Engagement. In der DEL, aber auch schon in der DNL, bin ich nach wie vor tätig. Die Arbeit macht mir sehr viel Spaß und die Jungs im Eishockey sind ein ganz feiner Schlag.